Sonntag, 21. Dezember 2014

Bald ist Weihnacht


Statio 21.12.14 – 4. Advent

Liebe Gemeinde,

letztens hörte ich, wie einer zum anderen sagte: „Häs all höärt? ---- Boll is Wiehnacht…“ Auch wenn ich nicht so gut Plattkuern kann, ich würde mal sagen: das ist die westfälische Variante des Gedichtes „Draußen vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr.“ Und in der Tat: Es liegt was in der Luft. Bei den Bäckern duftet es schon seit Wochen nach Spekulatius. Die Lichterketten sind ausverkauft und der Glühwein schmeckt. Es muss wohl was dran sein. Hinweise gibt es genug: Bald ist Weihnacht.


Vor ein paar Jahren gab es sogar ein Weihnachtsgerücht.
Statt Spekulatius gab es Spekulationen. Die Computerfirma Apple streute es. Wer Gerüchte schürt, führt was im Schilde. Apple brachte ein neues Smartphone auf den Markt. Alle waren neugierig – waren gespannt. Typisch für die Gerüchteküche. Und alle wollten das Neueste wissen und auch das Neueste haben. Gut fürs Geschäft. Zumindest für die Firma Apple. Wer Gerüchte streut, sucht seinen Vorteil. Süßer die Kassen nie klingen als zur Weihnachtzeit.

Eine andere Qualität hat das Weihnachtsgeheimnis.
Der Roman von Jostein Gaarder erzählt: Joachim will einen Adventskalender. Aber alle sind ausverkauft – bis auf einen, und der ist handgemacht. Zu Hause öffnet er das erste Türchen und heraus fällt ein kleiner, eng beschriebener Zettel. Die Geschichte, die Joachim entziffert, erzählt von einer Pilgerreise. Die beginnt in Norwegen mit einem Stofflamm und einem Mädchen namens Elisabeth. Sie führt immer weiter zurück bis nach Bethlehem zur Geburt des Jesuskindes. Immer mehr folgen dem Zug. Je mehr Zettel Joachim liest, desto öfter fragt er sich, ob es das Mädchen, das den Pilgerzug anführt, tatsächlich gibt. Das Geheimnis wird gelüftet. Aber erst am 24. Dezember.[i]

Woran erkenne ich nun, dass bald Weihnachten ist?
Am Datum im Kalender? Am Duft, am Gerücht oder am Geheimnis?
Das Weihnachtsgeheimnis hat schon eine andere Qualität als der Weihnachtsgeruch und das Weihnachtsgerücht. Spekulatiusduft, Lichterketten und Glühwein machen Stimmung. Aber ist das schon Weihnacht? Der Firma Apple ging es ums Geld. Wenn der Rubel rollt – ist dann schon Weihnacht? Jostein Gaarder nimmt seine Leser mit auf eine Reise. Und das ist die andere Qualität: Das Buch nimmt seine Leser mit nach Bethlehem – auf eine Pilgerreise. Das Ziel dieser Reise zeigt, worum es eigentlich geht.

Aus dem Ziel dieser Reise – aus Betlehem – hat uns am letzten Sonntag auch das Friedenslicht erreicht. Entzündet wurde es an dem Ort, den wir als Geburtsort Jesu Christi verehren. Von dort haben es Pfadfinderinnen und Pfadfinder über Wien nach Münster und von dort nach Stadtlohn gebracht. Aus unseren Kirchen können Sie es mitnehmen nach Hause. Vielleicht brennt es ja dort schon seit einer Woche? Wie bei einer Bekannten. Sie erzählte: „Als mir eine Nachbarin das Friedenslicht brachte, habe ich mich riesig gefreut. Eine schöne Geste. Aus der Region, die alles andere als friedlich ist, kommt Hoffnung auf Frieden. Wenn ich das Friedenslicht bei mir zu Hause brennen lasse, dann denke ich an all die Menschen, die in diesen Tagen auf der Flucht sind. Die Angst haben um ihr Leben und um das ihrer Angehörigen. Ich denke an die Menschen, die alles verloren haben. An die, die nur ihr Leben retten konnten. Und die nun einen neuen Anfang suchen – eine Perspektive – auch hier in Stadtlohn. --
Aber ich hatte auch so meine liebe Not mit diesem Licht.“ – Meinte die Bekannte. „Es sollte ja nicht ausgehen. Wenn es den weiten Weg von Bethlehem bis Stadtlohn geschafft hat, dann kann ich es ja nicht einfach ausmachen und mit einem Feuerzeug wieder anzünden. Trotzdem hatte ich Angst, es über Nacht brennen zu lassen. Offenes Feuer – was da alles passieren kann. Einzig sicherer Ort: die Badewanne. Da kann es brennen. Nichts fängt Feuer. Da passiert nichts.“
Ein wenig nachdenklich meinte die Bekannte: „Da geb ich mir so viel Mühe mit dem Friedenslicht aus Bethlehem. Was tue ich eigentlich dafür, dass das wahre Licht in mir nicht ausgeht? Was tu ich dafür, dass das, was meinem Leben Sinn und Richtung gibt, nicht verkümmert?“ [ii]

Weihnachten wird, wenn das, was meinem Leben Sinn und Richtung gibt, in mir lebendig wird. König David aus der Bibel hat erkannt, was seinem Leben Richtung gibt. Für ihn war es das Wort Gottes – die Bundeslade. In der ersten Lesung hören wir davon. In der Bundeslade – in den zehn Geboten – verehrte das Volk Israel Gott selbst. Der war für sie da, zeigte ihnen die Richtung. Den Weg in die Freiheit. Und hat sie auch in Wüstenzeiten nicht verlassen. Für David war das Wort Gottes so wichtig, dass er ihm ein Haus – einen Tempel bauen wollte. Doch da hat er die Rechnung ohne Gott gemacht... Gott braucht kein Haus, aus Steinen. Keins, das Menschen ihm bauen. Das Wort Gottes – das Allerheiligste – verehrt, aber weggesperrt?! Wie das Friedenslicht in der Badewanne: Da passiert nichts. Da wird niemand angesteckt.

Gott will kein Haus, das Menschen ihm bauen. Er selbst ist es, der sich sein Haus, seinen Tempel baut: aus lebendigen Steinen. Aus Menschen, in ihrem Glauben, Hoffen und Lieben. In ihnen will er wohnen. Und hofft, dass dieses Haus aus lebendigen Steinen sich anstecken lässt. Feuer fängt für seine Liebe. Wenn die Liebe Gottes in uns lebendig wird, dann wird Weihnachten.

So, wie in Maria Weihnachten wurde. In ihr hat Gott Wohnung genommen. Maria hat ihm Raum gegeben – in ihrem Leben. Zunächst allerdings hat sie sich gewehrt. Hat dem Engel widersprochen: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Heißt es heute im Evangelium. In heutiger Sprache hätte sie vielleicht gesagt: „Nee, heiraten und Familienplanung steht noch nicht an. Dafür bin ich noch zu jung.“ Im übertragenen Sinn könnte man ihren Widerstand anders deuten: Sich wehren, dass Gott konkret in ihr Leben eintritt. Für heute könnte das mancher so sagen: „Glauben, Beten, Gutes tun? Dafür hab ich keine Zeit.“ Dann aber hat Maria sich doch auf Gott eingelassen. „Ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Diese Haltung Marias kann auch uns heute Beispiel sein.
Mich auf Gott einlassen, ihm Vertrauen. Ihm einen Platz in meinem Leben einräumen. Zeit für Gott freihalten. In seinem Sinn handeln und das Leben gestalten. Dann wird er auch durch uns heute zur Welt kommen. Und dann, ja dann wird Weihnacht. Auch ohne Weihnachtsduft, Gerücht und Weihnachtsgeheimnis. Dennoch möchte ich auf alles drei nicht verzichten.
Der Duft macht Appetit. Das Gerücht macht neugierig und das Geheimnis drängt, einer Sache auf den Grund zu gehen. Alles drei hilft auch im Glauben. Weihnachten wird, wenn wir Geschmack finden an Gott. Weihnachten wird, wenn wir Interesse haben und neugierig sind auf ihn. Und Weihnachten wird, wenn wir dem Glauben auf den Grund gehen, uns neu drauf einlassen. Und dazu haben wir ja jetzt noch ein paar Tage Zeit...

Manchmal muss man dafür eine Pilgerfahrt machen. Nicht unbedingt nach Bethlehem – ins Heilige Land. Zu Fuß oder mit dem Flieger. Wichtiger ist die Pilgerfahrt im Herzen. Innerlich aufbrechen; losgehen; gespannt sein, was kommt, wenn ich mich auf Gott einlasse.
Wer sich wirklich auf Gott einlässt, bekommt es nicht mit einem Gerücht zu tun, sondern mit der Wahrheit. Und damit lebt es sich doch allemal besser… Dann kommt das wahre Licht in ihm zum Leuchten.

Nahrung bekommt dieses Licht durch das Wort Gottes – durch die Bibel. Und auch durch die Feier der Eucharistie. Wer beides in sich aufnimmt – das Wort und das Brot – in dem nimmt Gott Wohnung. Der ist sein Haus - sein Tempel. Dann kommt ER in mir – in dir – zur Welt. Dann, ja dann erst wird Weihnacht.
(Anne-Marie Eising, Pastoralreferentin)





[ii] Andrea Schwarz in: Anzeiger für die Seelsorge 12/2014, S. 24