Statio zu Mt 16, 13-20
21. So. LJA – 23./24.8.2014
Liebe Gemeinde,
manche Leute erzählen sich gerne Witze über Petrus, den Türsteher des Himmels. Kennen Sie den schon?
„Ein Pfarrer und ein Reisebusfahrer warten vor der Himmelstür. Endlich lässt Petrus den Busfahrer hinein. Dem Gottesmann verwehrt er den Eintritt. „Wenn du gepredigt hast, haben die Leute in der Kirche geschlafen. Aber wenn der da am Lenkrad saß, haben alle Leute im Bus gebetet.“
Nun hoffe ich mal, dass Sie bei meiner Predigt nicht
einschlafen werden. Und ebenso hoffe ich, dass Sie nicht nur beten, wenn Sie
eine Heidenangst haben oder Panik. Das Wort Panik kommt vom griechischen Gott Pan. Der
Schutzgott der Hirten. Vor ihm hatten alle Angst. Halb Mensch, halb Ziegenbock
konnte er die Herden so erschrecken, dass sie plötzlich auseinander liefen.
Fatal für die Hirten, wenn sie dadurch Tiere verloren. Deshalb versuchte man
den Pan bei Laune halten –mit Opfern.
Vor so einem Heiligtum des Pan steht Jesus heute im Evangelium
mit seinen Jüngern. In Caesarea Philippi: Ein Tempel des Hirtengottes Pan. Dort
sagt er ihnen: „Die Mächte der Unterwelt
werden die Kirche nicht bezwingen.“ In der Unterwelt herrscht der Tod. Und
vor dem haben die Menschen ja am meisten Angst. Vor der Kulisse des
Panheiligtums sagt Jesus den Jüngern also: „Habt keine Angst, ich selbst werde
den Tod bezwingen.“ Wer sich zu Christus bekennt, braucht keine Panik zu haben
vor dem Tod. Weder vor dem persönlichen, noch vor dem Tod – dem Untergang
– der Kirche. Vorausgesetzt, die Christen nutzen den Schlüssel des
Himmelreiches, den Jesus dem Petrus übergibt.
Im Witz entscheidet Petrus darüber, wer in den Himmel kommt.
Für Jesus ist klar: Das ist die Sache Gottes. Aber Petrus soll den Menschen den
Zugang zu ihm eröffnen. Die Kirche soll die Menschen für die Liebe Gottes
aufschließen. Und keine Angst haben vor dem Untergang. Die haben allerdings heute Viele. Nicht nur die Bischöfe. Der
Grund sind die jüngsten Zahlen zu den Kirchenaustritten. Manche appellieren
dann: Wir müssen den Menschen die Werte der Kirche einfach anders vermitteln. Die
Sprache der Leute sprechen. Allerdings, ich glaube, allein um die Ausdrucksweise ging es Jesus
bestimmt nicht bei der Schlüsselübergabe. Den Menschen den Himmel aufschließen
heißt, sie mit Gottes Liebe in Berührung zu bringen. Das schließt handfeste
Veränderungen mit ein! Jesus nennt das „binden und lösen“. Im Evangelium sagt er dem
Petrus und damit der ganzen Kirche: „Was
du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du
auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“
Jesus spricht hier nicht von Hochzeit und Scheidung.
Er redet davon, dass Gesetze und Normen auch geändert werden müssen. Immer dann,
wenn sie den Menschen den Zugang zur Liebe Gottes versperren. Diese Binde- und Lösegewalt hatten im Judentum bereits die
Schriftgelehrten und Rabbiner. Sie sollten feststellen, ob ein Gesetz Gottes noch
verbindlich war oder ob es aufgelöst werden musste. In einer bestimmten Zeit
entstanden, passt es nicht für alle Zeit. Binde- und Lösegewalt heißt: was die Schriftgelehrten in
ihrer Zeit für verbindlich erklärten, galt auch vor Gott als verbindlich. Wenn sie ein Gesetz auflösten, dann galt es auch vor Gott als
aufgelöst. –
Das klingt ziemlich anmaßend. Stellen sich hier Menschen über das Gesetz Gottes? Bestimmt hatten manche Schriftgelehrten Angst davor, diese
Verantwortung zu übernehmen. Aus Angst, falsche Entscheidungen zu treffen,
blieb in vielen Bereichen alles beim Alten. Auch, wenn es den Menschen nicht
mehr nützte. Damit bürdeten sie den Gläubigen Gesetze auf, die diese nie halten
konnten. Die Folge: Die Menschen hatten Angst davor, nie richtig vor Gott
dastehen zu können. Aus Angst vor Veränderungen verbreiteten die
Schriftgelehrten unter den Menschen damals eine Heidenangst.
Diese Vollmacht, die die Schriftgelehrten hatten, überträgt Jesus
nun auf Petrus und die junge Kirche. Damit sagt er: „Macht ihr es besser!
Öffnet den Menschen die Tür zur Liebe Gottes.“ Dazu müssen auch mal kirchliche
Normen verändert werden. Und was die Kirche dann für verbindlich erklärt, das
gilt auch vor Gott als verbindlich. Das gleiche gilt, wenn sie Normen ändert
oder abschafft.
Die erste Norm der jungen Kirche hat Petrus selbst
abgeschafft. Es ging um die Frage: Müssen Heiden, die getauft werden wollen,
zuerst Juden werden? Nach heftigem Ringen verzichtet Petrus darauf. Danach erst
konnte Paulus weiter missionieren. Nur dadurch breitete sich das Christentum aus: im ganzen
Mittelmeerraum, in der ganzen Welt.
Was heißt das für die Kirche heute? Welche Normen eröffnen Menschen heute die Liebe Gottes? Welche schließen sie von seiner Liebe aus? Was bleibt verbindlich, wovon müssen wir uns lösen? Schwere Fragen – keine leichten Entscheidungen.
Vier Beispiele von vielen:
Das Sonntagsgebot:
Sonntags Eucharistie zu feiern ist für manche gar keine Frage
– für Sie, die Sie hier sitzen, ist das keine Frage. Für Christen, die einen
Zugang zur Liebe Gottes gefunden haben, ist das selbstverständlich. Wer mit
Gott dagegen nichts anfangen kann, wird auch durch ein Gebot nicht dazu bewegt
werden. Er hat ja gar keinen Grund, Gottesdienst zu feiern. Ich finde: Die Norm sollte bleiben. Sonntags die Messe zu feiern,
können Christen nicht aufgeben, wenn sie mit Christus in Verbindung bleiben
wollen. Allerdings: Für Christus werben ist besser, als zur Kirche zu zwingen. Da lässt sich heute niemand mehr reinreden. Wichtiger als die Frage „wann darf man?“ scheint mir die Frage „wie kann man Sexualität verantwortlich leben?“ Treue, gegenseitige Wertschätzung und Liebe sind bleibende Werte! Entscheidend ist die Frage: Ist Sexualität Zeichen der Liebe oder ist der Partner nur ein Objekt, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen? Sogenannte „eheliche Pflichten“ waren früher bestimmt für manche die Hölle auf Erden.
Wiederverheiratet Geschiedene:
Das Versprechen, ein Leben lang füreinander da zu sein und
einander treu zu bleiben, was immer auch komme, halte ich für ein unheimlich hohes
Gut. Das möchte ich auf keinen Fall aufgeben. Aber wie gehen wir mit dem
Scheitern um? Im Christentum ist sonst ja auch nach dem Scheitern ein Neuanfang möglich. Umkehr, Vergebung und Barmherzigkeit sind zentrale Themen der Botschaft Jesu. Ich persönlich hoffe, dass sich bald etwas ändert im kirchlichen Arbeitsrecht. Und vor allem bei der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zum Empfang der Sakramente. Wie sollen wir Menschen die Liebe Gottes eröffnen, wenn wir sie ausschließen von den Zeichen der Nähe Gottes?
Schließlich die Rolle der Frau in der Kirche:
Argumente gegen die Priesterweihe von Frauen findet man in
der Bibel. Argumente dafür ebenfalls. Wer aber keine Argumente mehr hat,
erlässt ein Diskussionsverbot. Papst Johannes Paul II. hatte endgültig
festgelegt, dass die Kirche von Gott nicht dazu ermächtigt sei, Frauen zu
weihen. Papst Franziskus hat in einem Interview bekräftigt, diese Tür sei
verschlossen. Nun, verschlossene Türen kann man öffnen – wenn man will. Selbst die heilige Pforte in Rom – sie ist zugemauert – wird alle 50 Jahre vom Papst selbst eingerissen. Und was die Ermächtigung der Kirche angeht: Jesus hat ihr die Binde- und Lösegewalt übertragen. Somit ist sie ermächtigt, auch diese Norm zu überdenken. Allerdings – manche Menschen scheinen noch nicht reif zu sein für solch eine Änderung. Auch heute noch werden manchmal Mädchen als Messdienerin abgelehnt, Frauen als Kommunionhelferin. Und ich schon ein paarmal als Leiterin einer Beerdigung. Und das nur, weil ich eine Frau bin! Manche Menschen scheinen eine panische Angst davor zu haben, dass sich etwas ändert.
Aber nur, was sich ändert, bleibt. Wer sich ändert, bleibt sich treu.
Die Kirche muss tun, was Jesus ihr aufgetragen hat: sich an Normen
binden, die den Menschen die Liebe Gottes erschließen. Von anderen muss sie
sich lösen. Das ist eine große Verantwortung. Aber Gott vertraut seiner Kirche. Er traut ihr etwas zu! Und sein Geist wirkt in ihr. Mit ihm brauchen wir keine Angst
haben – auch nicht vor Veränderung. Denn nicht Panik bestimmt uns Christen, sondern Christus. Mit ihm finden wir zu Gott.
(Anne-Marie Eising, Pastoralreferentin St. Otger, Stadtlohn)